Samstag, 14. Oktober 2023 21:15
In Memoria di Helmut Berger Salon Kitty Italien/Frankreich/BRD 1976, 127 Min., deutsche Fassung, digital, Regie: Tinto Brass, Darsteller: Helmut
In Memoria di Helmut Berger
Salon Kitty
Italien/Frankreich/BRD 1976, 127 Min., deutsche Fassung, digital, Regie: Tinto Brass, Darsteller: Helmut Berger, Ingrid Thulin, John Steiner
"In Madame Kittys Bordell vergnügt sich allabendlich die Nazi-Elite. Dies will der machtbesessene Untergruppenführer Wallenberg ausnutzen und tauscht daher hinter Kittys Rücken die Prostituierten gegen SS-Agentinnen aus und verwanzt die Räumlichkeiten. Auf diese Weise will er ihre Geheimnisse enthüllen und gegen sie verwenden, um Hitlers Gunst zu erlangen. Als die junge Margherita hinter Wallenbergs Machenschaften kommt, beschließt sie zusammen mit Kitty, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, denn auch Wallenberg hat etwas zu verbergen..." (OFDB)
Ein lose auf Tatsachen basierender Film (das Nazi-Bordell existierte tatsächlich), wie er nur in den wilden 70ern möglich war: aufwendig inszeniert, erlesen fotografiert, vor allem vom ewigen österreichischen "enfant terrible" Helmut Berger und von John Steiner hervorragend gespielt - und alles andere als geschmackssicher. Zwar geht "Salon Kitty" nicht so weit wie manch andere filmische Geschmacksentgleisung der 70er, die sich dem Thema Nationalsozialismus mit drastischen Sex- und Gewaltdarstellungen näherte - etwa die berüchtigte kanadische Produktion "Ilsa - She-Wolf of the SS" oder Bruno Matteis unfassbar transgressiver "KZ 09". Doch Brass' Streifen, der vom Filmgiganten Fox coproduziert wurde, war eben sehr aufwendig und eher für die Filmpaläste als für die Bahnhofskinos gedacht. So reichte es selbst in den an Tabubrüchen reichen 70ern für einen internationalen Skandalon. Verantwortlich dafür waren in erster Linie die auch heute noch recht explizit wirkenden Sexszenen und die fragwürdige Darstellung von NS-Symbolik, die man zumindest als lüstern-spekulativ interpretieren kann. Übersehen wurde freilich oft, dass "Salon Kitty" eine ebenso böse wie entlarvende Ironie aufweist und dem Nationalsozialismus damit eher demaskiert als tatsächlich unsäglicher Schund wie die verlogene Eichinger-Produktion "Der Untergang".
"Salon Kitty" wurde in vielen Ländern geschnitten, in Deutschland natürlich wieder ganz besonders stark. Wir zeigen die komplett ungeschnittene Fassung.
Nicht fehlen sollten ein paar Worte zu Regisseur Tinto Brass, der in Frankreich mittlerweile als Meisterregisseur gilt, in Deutschland aber zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist. In den 60ern fiel Brass durch ungewöhnliche Werke wie dem radikal gesellschaftskritischen Film "Wer arbeitet, ist verloren" oder den schrägen Pop-Art-Thriller "Ich bin, wer ich bin" auf. Nach "Salon Kitty" wurde er mit dem streckenweise durchaus brillanten "Caligula", den der Produzent allerdings eigenmächtig mit Hardcore-Szenen anreicherte, endgültig zur Hassfigur der Filmkritik. Seit Mitte der 80er verlegte sich der schwergewichtige Italiener weitgehend auf die reine Erotik-Schiene, wobei er formal aber immer noch recht ambitioniert zu Werke ging.
In Memoria di Helmut Berger
Im Mai dieses Jahres verstarb Helmut Berger im Alter von 78 Jahren. Er brillierte in berühmten Filmen wie „Die Verdammten“ oder „Ludwig II_“ Er veredelte aber auch manch abseitiges Werk, etwa Jess Francos "Faceless" oder Sergio Griecos "La Belva col Mitra" ("Der Tollwütige"), welcher in Quentin Tarantinos "Jackie Brown" eine würdige Hommage erhielt.
Einst galt der Österreicher als schönster Mann der Welt. Später machte er eher mit skandalumwitterten Talkshow-Auftritten von sich reden. Doch auch sie waren oft weit mehr als "Trash". In den besten Momenten wurden abgeschmackte mediale Konventionen durchaus bissig entlarvt.
Wir zeigen eine Auswahl interessanter, beim breiten Publikum heute eher weniger bekannter Werk aus Bergers Filmografie.